Interview: Angela Hoffmann (Schulleiterin der Grande École

Sie sind seit 1998 Leiterin dieser Schule. Was ist das Besondere an dieser Einrichtung?


Ich wurde 1998 Leiterin der Potsdamer Abendschule und 2007 Leiterin der alle Bildungsgänge führenden Schule des Zweiten Bildungsweges „Heinrich von Kleist“. Das Besondere dieser Einrichtung sind sicherlich zuerst unsere Adressaten – junge Erwachsene aller Couleur, die in einem späteren Bildungsweg höhere Schulabschlüsse anstreben und dafür einen besonderen, nicht alte Schulerfahrungen kopierenden Bildungsort erwarten.


Damit meine ich vor allem eine spezifische Schulkultur, die nicht nur den engen unterrichtlichen Bereich, sondern die gesamte Atmosphäre und Situation umfasst. Diese ist und wird zunehmend zur entscheidenden Grundlage für das Interesse an unserem Haus und für den Besuch unseres Hauses. Aber dies zu entfalten, benötigt Neugier auf Menschen, Offenheit für Ideen und Freude am Gestalten – sowohl des unspektakulären Alltags als auch des Nicht – alltäglichen. Vielleicht sind wir von Heinrich von Kleist und von seinem idealistischen Realismus an diesem attraktiven, geschichtsträchtigen Ort inspiriert. Dann hätten wir Glück.


Auffallend im Schulalltag ist die hohe Präsenz von Veranstaltungen jenseits des Lehrplans, wie Lesungen, Theateraufführungen etc. Warum erachten Sie diese kulturelle Komponente als so wichtig?


Wahrscheinlich ist das eine Frage der Bildungsphilosophie und des Menschenbildes. Für mich war und ist Bildung mehr als Unterricht, mehr als dokumentierte Bescheinigungen und Abschlüsse. Bildung ist ein ganzheitlicher Prozess und kann von so ganz unterschiedlichen Impulsen und Angeboten geprägt werden. Und Schulkultur und Schulatmosphäre gelten im ersten Moment als „weiche“ Komponenten, die sich aber als die entscheidenden, die „härtesten“ Komponenten erweisen. Hierin sehe ich das wesentliche Merkmal für schulische Qualität.


Und die Kleist-Schule hat sich ja in den vergangenen Jahren auf diesen Weg gemacht, der nicht verordnet werden kann, sondern von den Studierenden, von den Lehrenden und von den uns Unterstützenden gewollt und gelebt werden muss.


Wir verstehen uns als einen integrierten Bildungs- und Kulturstandort für junge Erwachsene im Herzen von Potsdam in einer globalisierten, zunehmend virtuell beeinflussten, sich ständig verändernden Welt. Das ist für uns die Forderung der Moderne. Da sind wir auch bei Kleist.


Träumen Sie manchmal von Kleist?


Soll ich ganz ehrlich sein – ja, das gab es. Einerseits begründet durch die vielen Aktivitäten vor und im Kleist – Jahr, andererseits strahlt dieser Kleist als vorzüglicher Sprachkünstler, als unbestechlicher Gedanken- und Gefühlsversteher und als unglücklicher Glückssucher eine solche Faszination aus, dass ich ihm – nicht nur im Traum – gern begegnet wäre.


Kleist sagte einst: „Ich arbeite nur für meine Bildung gern“ – Wie viel vom Wesen dieses Zitats steckt in der Kleist-Schule?


Hoffentlich viel – sonst würde es die Kleist-Schule so nicht geben. Bei Kleist ist einzig die Arbeit für und an seiner Bildung positiv besetzt und er bemerktdas in einem Moment einer existentiellen Entscheidung: Gegen die traditionelle Pflicht seines Standes und für das Recht, sich selbstbestimmt der Bildung und den Wissenschaften zu widmen.


Das ist mutiger Ausstieg und über Bildung wieder Einstieg – das trifft auch auf unsere Studierenden zu. Gleichzeitig ist heute Bildung/Qualifikation die wertvollste und zugleich erfolgreichste Zukunftsinvestition. Ich würde mich freuen, wenn viele in der Kleist-Schule „gern nur für Bildung arbeiten“. Und da schließt sich dann wieder der Kleist-Kreis zur Schulkultur …


Und als Ausblick: Was haben Sie noch vor mit Ihrer Kleist-Schule? Was sind die nächsten Höhepunkte? Gibt es Autoren oder Künstler, die Sie gern für Auftritte an der Kleist-Schule gewinnen möchten?


Sie fragen nach dem Ausblick, nach den Vorhaben und meine Stirn legt sich ein wenig in nachdenkliche Falten... Ich denke, wir sollten an unserem Konzept der „schönen Anstrengung“ (Kleist) festhalten und die positiven, ja teilweise überraschenden Erfahrungen mit neuen Ideen verbinden und als schulische Höhepunkte gestalten. Das geht nur über eine „gemeinsame Anstrengung“ und benötigt das Interesse und die Motivation aller.


Die einzigartige Resonanz auf unser Kleist-Jahr steht für das, was alles möglich ist. Wir haben gerufen und viele, die Geistvolles und Kreatives zu Kleist geschaffen haben, sind gekommen. Die Studierenden haben selbst - von anderen bewundert - Geistvolles und Kreatives zu Kleist geschaffen.


Wir werden weiter rufen und erschaffen. Ich hoffe, dass wir auch in Zukunft interessante, freud- und stimmungsvolle Veranstaltungen anbieten werden, die unsere Schulkultur prägen und vermitteln. Dafür hoffen wir auch besonders auf unsere Freundinnen und Freunde des Vereins.


Wir danken der Landeshauptstadt Potsdam, besonders dem Kulturamt, für die finanzielle Förderung des Kleist-Jahres 2011.


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