Prolog: Roy Knocke (1. Vorsitzender des Fördervereins)

Liebe Leser,


als im Herbst Siebzehnhundertachtundneunzig ein junger preußischer Offizier bildungshungrig durch die Tore der Grande École in Potsdam schritt, war nicht zu ahnen, dass sich auch zweihundertdreiundsiebzig Jahre später junge Menschen unterschiedlicher Profession am gleichen Ort auf ihr Studium vorbereiten sollten.


Dieser barocke Ort, mitten im Herzen von Potsdam gelegen, übte damals wie heute Einfluss auf Lebensläufe aus, formte Schicksalszeiten heraus. So sagte Kleist von sich selbst, er sei in Potsdam „mehr Student als Soldat“ gewesen, bereitete hier seinen Abschied aus dem Militär vor, um zu einem der größten und sprachgewaltigsten deutschen Dichter und Dramatiker zu werden.


Heute besuchen Krankenschwestern, Bäcker, Soldaten, Webdesigner und Erwachsene mit anderen Berufen die Grande École. Wie einst Kleist wollen sie nicht still stehen, sondern noch mehr im Leben bildend vorwärtsstreben. Die Kleistschule steht somit nicht nur für den authentischen Ort ihres Namenspatrons, sondern auch für ein Programm eines aktiven, lebenslangen Lernens und Bildens in einer Zeit in der Bildung sich oft als leerer Reflex ausformt.


Der Freundes- und Förderverein der Kleistschule Potsdam hat mit diesen modernen Kleistianern der Grande École, 200 Jahre nach dem Tod des existentiell mäandernden Dichters, ein leuchtendes Festprogramm aus Lesungen, Theater, Performances, Ausstellungen und kulturellen Stadtführungen aufgelegt. Dabei traf ein moderner Blick auf klassizistische Ratio, standen Fragen nach der Gegenwärtigkeit Kleistens im Mittelpunkt der Veranstaltungen: Wie viel Zeitgeist durchdrang Heinrich von Kleist? Sind seine gebrochenen Figuren nicht Zeitgenossen in einer zersplitterten Moderne? Ist Kleistens Auffassung vom Glück als individueller Verwirklichung auch für uns noch haltbar? Als wer würde Kleist heute durch Potsdam flanieren?


Die vorliegende Dokumentation legt Zeugnis von dieser Auseinandersetzung ab und zeigt die Vielfalt des Potsdamer Kleistjahres in Wort und Bild. Dafür haben Jens Bisky, Wolfgang de Bruyn, Tanja Langer und Miriam Sachs eigens rückblickende Impressionen verfasst. Ebenso finden Sie Interviews mit tragenden Darstellerinnen und Darstellern des Jahres und glanzvolle Schilderungen der einzelnen Veranstaltungen.


Herzlichen Dank für Unterstützung gebührt der Landeshauptstadt Potsdam, vor allem dem Kulturamt, und allen, die tatkräftig an der Realisierung unseres Kleistjahres „Kleist! 2011“ vor Ort mitgearbeitet haben.


Beim Lesen, Schauen und Blättern wünsche ich Ihnen viel Freude!


Roy Knocke
 
Wir danken der Landeshauptstadt Potsdam, besonders dem Kulturamt, für die finanzielle Förderung des Kleist-Jahres 2011.


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