Grußwort: Tanja Langer

Am Kleinen Wannsee hatte Heinrich mit seinen Freunden Otto und Ernst gestanden, sieben Menschenleben war es her, und hatte mit ihnen darüber gesprochen, wie leicht und heiter es sein könnte – Steine in den Taschen, hinausrudern auf den See, und: hopp, oder: die Pistole an die Schläfe setzen und: plopp.


Sie waren noch Jungen damals und in der Kadettenanstalt in Potsdam und Heinrich hatte es dort gehasst. Aber in der Schule? Wie war es dort? Hatte er nicht gern gelernt? Hatte er nur Augen und Ohren für den Drill? Ich weiß es nicht. Ich fragte es mich, als ich am 3. November von Wannsee nach Potsdam fuhr, um in der Kleist-Schule vorzulesen.


Ich war guter Dinge, hatte den ganzen Tag an einem neuen Buch geschrieben. Als ich in die Schule kam, sah ich, wie wunderbar alles vorbereitet war, der Büchertisch, die Weingläser, das schöne Klassenzimmer, das angenehme Licht, und überall waren Rosen verstreut! So viele Gesichter sahen mich an, alte und junge, offen und neugierig. In dieser Schule weht ein freudiger, freundlicher Atem, das merkte ich sofort; es war proppenvoll und lebhaft laut, auf der Treppe, im Gang, im Raum, ich freute mich wie eine Schneekönigin!


Und vor allem: von Anfang an ging da etwas hin und her, eine ungewöhnliche Bewegung, zwischen den Zuhörenden und mir, tief und leicht, es wurde an Stellen gelacht, an denen ich beim Schreiben lächeln musste, und anderen, an denen ich nicht damit gerechnet hatte. Dann wieder wurde es vor Ernst und Mitschwingen und Mitfühlen ganz still im Raum. Und die Fragen danach! So lebendig. Alle schienen Heinrich richtig gut zu kennen und wollten noch mehr wissen, auch von Henriette. Ein Schüler erzählte mir hiernach von seinen Gedichten, und eine fremde Dame von einem Augenblick in ihrem Leben, in dem das Nichtmehrleben eine Frage für sie gewesen ist.


Solche Abende sind ein kleines Wunder, und dieser Abend bei Euch war ein solcher, einer der schönsten in diesem Jahr. Maria Callas in der Scala hat kaum glücklicher sein können als ich bei dieser Lesung. Vielen Dank! Und alles Gute!


Tanja Langer


Tanja Langer arbeitet als Schriftstellerin und Journalistin und schrieb Erzählungen, Romane und Hörspiele. Zuletzt verfasste sie das Libretto für die Oper „Kleist“ von Rainer Rubbert.


zur Veranstaltung


Wir danken der Landeshauptstadt Potsdam, besonders dem Kulturamt, für die finanzielle Förderung des Kleist-Jahres 2011.


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